Under Dekonstruktion
siehe vorläufig Leib und Seele
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Innerlichkeit - This Mortal Coil |
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Freitag, 16. Februar 2007
Huhn oder Ei?
rabe489, 23:59h
Bei dem großen Altphilologen Karl Kerényi findet man im Vorwort zu Band 1 seiner Werke in Einzelausgaben mit dem Titel "Humanistische Seelenforschung" (München, Wien 1966) auf Seite 12 die Feststellung: "[...] dass alle Aussagen von der Seele - alle Vorstellungen von ihr - Äußerungen der Seele selbst sind - es sei denn, dass sie schon zu Lehren entwickelt wurden und eine spekulative Bearbeitung erfuhren."
"-dass alle Aussagen von der Seele Äußerungen der Seele selbst sind -"Ebenso muß man sich vorstellen, dass alle Bestimmungen von Innerlichkeit gültig nie von außen erfolgen können, sondern aus einem Inneren heraus vollzogen werden.Beides aber gilt vom Verhältnis Mensch und Welt, Geist und Materie insgesamt: Welt, wo sie statthat, ist immer schon geistig-seelische Wahrnehmung von Welt, auch da, wo man sich sozusagen positivistisch dumm stellt. Nachtrag: Das Zitat im Zusammenhang: „...Erwin Rohdes ... link Ottorino Respighi: Stornellatrice
rabe489, 08:10h
... link Romantischer Wahn
rabe489, 08:03h
Die vier wahnsinnigen Brüder aus dem Bericht M. Claudius über seinen Besuch im Irrenhaus von St. Hiob (Wandsbecker Bote):
Justinus Kerner dichtete entsprechend: Ausgetrocknet zu Gerippen, ... link Buxtehude: Jubilate Domine (Ian Howell)
rabe489, 07:29h
... link Lauritz Melchior sings Schubert "Ständchen"
rabe489, 06:55h
("Leise flehen meine Lieder...")
... link "Lehrstunde der Nachtigall" 1804 (Ausschnitt)
rabe489, 04:54h
Eines der komplexesten Gemälde des Romantikers Philipp Otto Runge (hier die zweite Fassung von 1804 im Ausschnitt):
... link Allegorie - Symbol - Metapher (Merkblatt)
rabe489, 03:59h
die Allegorie
griech. allegorein = anders, bildlich reden Definition:Ausdehnung der Metapher auf einen größeren Textzusammenhang; ein ganzer Gedanke wird bildlich ausgedrückt und muss vom Leser gedeutet (entschlüsselt) werden. (Allegorese) die Metapher Definition: Eine bekannte Wortbedeutung wird in übertragener (bildlicher) Bedeutung gebraucht. Das eigentliche Wort wird ersetzt durch ein Wort (einen Ausdruck) aus einem anderen Sachbereich, der zu dem eigentlichen Wort (Ausdruck) in einem Analogieverhältnis steht. Beispiel: "Da steh ich, ein entlaubter Stamm!" sagt Wallenstein, als er von allen Anhängern verlassen ist. Hier wird ein Sachverhalt aus dem Bereich des Menschenlebens anschaulich gemacht durch einen Sachverhalt aus dem Pflanzenbereich. Die Situation, abstrakt gefasst, ist die gleiche: Verlust lebenswichtiger, aber doch ersetzbarer Anhängsel. Das Symbol Ein Symbol (v. griechisch: sym zusammen ballein werfen, das Zusammengefügte; Kennzeichen) genannt ein Zeichen, das über sich selbst hinausweist. Für die Kunst und Malerei wurde die Allegorie besonders bei dem Romantiker Philipp Otto Runge zum Gegenstand künstlerischer Auseiandersetzung. Peter-Klaus Schuster schreibt und zitiert im Katalog "Runge in seiner Zeit" (Hamburger Kunsthalle 1977) S. 104: "»Alle Kunst ist allegorisch«, sagte der Ma- ler. »Was kann der Mensch darstellen, ein- zig und für sich bestehend, abgesondert und ewig geschieden von der übrigen Welt, wie wir die Gegenstände vor uns sehen? Die Kunst soll es auch nicht: wir fügen zusam- men, wir suchen dem einzelnen einen all- gemeinen Sinn aufzuheften, und so entsteht die Allegorie.« Diese Belehrung wird in Ludwig Tiecks 1798 erschienenem Roman Franz, Sternbald Wanderungen dem ange- henden Maler Franz zuteil. Der sie aus- spricht ist ein alter Maler, der in völliger Waldeinsamkeit auf seinen Bildern eine in der Natur verborgene göttliche Chiffren- schrift festzuhalten sucht, denn »so hat sich der großmächtige Schöpfer heimlich - und kindlicherweise durch seine Natur unseren schwachen Sinnen offenbart, er ist es nicht selbst, der zu uns spricht, weil wir dermalen zu schwach sind, ihn zu verstehn; aber er winkt uns zu sich, und in dem Moose, in jeg- lichem Gestein ist eine geheime Ziffer ver- borgen, die sich nie hinschreiben, nie völlig erraten läßt, die wir aber beständig wahr- zunehmen glauben.« 1 Diese Auffassung vom durchweg geheim- nisvoll allegorischen Charakter von Welt und Kunst, ausgesprochen in einem Buch, von dem Runge 1798 bekannte, »Mich hat nie etwas so im Innersten meiner Seele er- griffen«2 widerspricht gänzlich dem, was Goethes gleichzeitig erschienene, mit glei- cher Macht auf Runge einwirkende Einlei- tung zu den Propyläen über die Allegorie kundtat: »Wer [...] allegorisch interessant sein will, der wird, in der Hälfte seiner Ar- beit, oft bei unerwarteten Hindernissen stocken oder nach Vollendung derselben seinen schönsten Zweck verfehlen. Wer zu den Sinnen nicht klar soricht- redet auch nicht rein zum Gemüt [...]<<" ... link Josef Madlener (1881-1967): Neue Monographie!
rabe489, 01:03h
"Josef Madlener (1881–1967) was a German artist and illustrator. He was born near Memmingen, Swabia. His work was published in various newspapers, magazines, and a few children's Christmas books, e. g. Das Christkind Kommt (1929) and Das Buch vom Christkind (1938). Madlener's Christmas art also appeared in several postcard series. The monograph by Eduard Raps (1981) published for the artist's centenary, shows a sampling of Madlener's art.
The most famous of Madlener's paintings is "Der Berggeist" ("the mountain spirit"), from similarities in style dated to the period around 1925–30. The painting is reproduced on a postcard that was in the possession of J. R. R. Tolkien, marked "the origin of Gandalf"." (zit. WIKIPEDIA) Eine neue Monographie ist jetzt über den Künstler erschienen: Joseph Kiermeier-Debre und Fritz Franz Vogel (Hrsg.): "Josef Madlener". Mein Kosmos. Böhlau Verlag, Köln 2007, 320 S., br., 29,90 € ... link Freitag, 16. Februar 2007
Das Antlitz des Nichts (geträumt):
rabe489, 00:28h
... link Das Staunen ("Wissenschaft denkt nicht")...
rabe489, 21:16h
Kardinal Lehmann (2003): "Es ist nicht zu übersehen, dass das Denken im 20. Jahrhundert in mancher Hinsicht hier eine Änderung des Ranges des Staunens mit sich bringt. Für E. Husserl ist das Staunen noch weitgehend eine Vorstufe zur „Theoria eigentlicher Wissenschaft“ und eine „Abwandlung der Neugier“. M. Scheler unterscheidet die Verwunderung von Erschrecken und Verblüffen. Diese Verwunderung kann durch den gewohntesten Gegenstand hervorgerufen werden. M. Heidegger hat bereits in „Sein und Zeit“ das Staunen grundlegend von der Neugierde abgegrenzt. „Die Neugier hat nichts zu tun mit dem bewundernden Betrachten des Seienden, dem ‚thaumazein‘, ihr liegt nicht daran, durch Verwunderung in das Nichtverstehen gebracht zu werden, sondern sie besorgt ein Wissen, aber lediglich um gewusst zu haben.“ Nicht wenige Philosophen wie E. Bloch, E. Fink, J. Pieper und W. Weischedel sowie K. Jaspers haben die Deutung des Staunens für die Frage nach Ursprung und Wesen des Denkens kräftig hervorgehoben. Nach H. Arendt erfährt das „erschütterte Staunen angesichts des Wunders des Seins“, das zunächst sprachlos macht, eine Klärung durch das Denken, jedoch ist – nun gewiss in anderer Weise – Ende und Ziel des Philosophierens ein begrifflich und philosophisch geklärtes Staunen, das der wahren „Theoria“ entspricht. Für E. Lévinas ist schließlich die Sprache eine Möglichkeit, zuvor absolut Fremdes zu erfahren, in diesem Sinne „reine Erkenntnis“ oder, wie er formuliert, „Trauma des Staunens“."
Das Staunen geht der Wissenschaft voraus und übertrifft diese, wenn das Staunen quasi zur Form innerlicher Erkenntnis sich verdichtet, das Staunen zu einer Schau, zur Beschauung wird. Das ist das auf die Tiefe des anschauenden Denkens des "andenkenden Denkens" sich einlassen. Da "die Wissenschaft nicht denkt" (M. Heidegger), insofern sie bloß "rechnendes Denken" vollzieht, gehört die grundsätzlichste und ursprünglichste Form der Erkenntnis für den Menschen in den Bereich von Kunst, Religion und einer bestimmten Philosophie. Wir wissen was Leben ist, wenn wir es staunend "wahrnehmen". Die Biologie dagegen kennt nur die Zergliederung des lebendigen Organismus (und seine in der Recherche lebenszerstörerischen Kadavererzeugung) bis auf die niedrigste Stufe der genetischen Prozesse. Und eins sei auch noch ausgesprochen: ohne Zuwendung (Liebe) zum lebendigen Gegenstand des staunenden Forschens hat man von vorneherein die Wesenskraft des Lebendigen ausgelöscht und ist - das versteht sich dann von selbst - bloßem Schein von toter Materie ausgeliefert. ... link Schluß mit dem Glauben...
rabe489, 09:23h
Der Humanistische Verband (HVD) hat in Berlin die erste private Schule der atheistischen Weltanschauungsgemeinschaft gegründet. Die Schulbehörde genehmigte jetzt das reformpädagogische Konzept für die geplante Lehranstalt. Noch sei nicht entschieden, in welchem Stadtteil sich die Ganztagsschule ansiedeln wird, sagte der Berliner Geschäftsführer des HVD, Manfred Isemeyer. An dieser Schule wird kein Religionsunterricht erteilt, sondern Lebenskunde, ansonsten gilt der übliche Lehrplan.
... link Mittwoch, 14. Februar 2007
rabe489, 05:29h
1Ich bin der Mann, der Elend sehen muß durch die Rute des Grimmes Gottes. 2Er hat mich geführt und gehen lassen in die Finsternis und nicht ins Licht. 3Er hat seine Hand gewendet gegen mich und erhebt sie gegen mich Tag für Tag. 4Er hat mir Fleisch und Haut alt gemacht und mein Gebein zerschlagen. 5Er hat mich ringsum eingeschlossen und mich mit Bitternis und Mühsal umgeben. 6Er hat mich in Finsternis versetzt wie die, die längst tot sind. 7Er hat mich ummauert, daß ich nicht heraus kann, und mich in harte Fesseln gelegt. 8Und wenn ich auch schreie und rufe, so stopft er sich die Ohren zu vor meinem Gebet. a 9Er hat meinen Weg vermauert mit Quadern und meinen Pfad zum Irrweg gemacht. 10Er hat auf mich gelauert wie ein Bär, wie ein Löwe im Verborgenen. 11Er läßt mich den Weg verfehlen, er hat mich zerfleischt und zunichte gemacht. 12Er hat seinen Bogen gespannt und mich dem Pfeil zum Ziel gegeben. 13Er hat mir seine Pfeile in die Nieren geschossen. 14Ich bin ein Hohn für mein ganzes Volk und täglich bihr Spottlied. 15Er hat mich mit Bitterkeit gesättigt und mit Wermut getränkt. 16Er hat mich auf Kiesel beißen lassen, er drückte mich nieder in die Asche. 17Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich habe das Gute vergessen. 18Ich sprach: Mein Ruhm und meine Hoffnung auf den HERRN sind dahin. 19Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin!
a: Ps 22,3; 69,4 b: Hiob 30,9 20Du wirst ja daran gedenken, denn meine Seele sagt mir's. 21Dies nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch: 22Die Güte des HERRN ist's, daß wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, a 23sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. 24Der HERR bist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. 25Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. 26Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und cauf die Hilfe des HERRN hoffen. 27Es ist ein köstlich Ding für einen Mann, daß er das Joch in seiner Jugend trage. 28Er sitze einsam und schweige, wenn Gott es ihm auferlegt, 29und stecke seinen Mund in den Staub; vielleicht ist noch Hoffnung. 30Er dbiete die Backe dar dem, der ihn schlägt, und lasse sich viel Schmach antun. 31eDenn der HERR verstößt nicht ewig; 32sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte. 33Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen. a: Neh 9,31 b: Ps 16,5; 73,26 c: Röm 8,25 d: Mt 5,39 e: Jes 54,8 ... link Lamentationen
rabe489, 05:23h
Leçons de Ténèbres
François Couperin, Sieur de Crouilly, genannt „Le Grand“ (1668 – 1733) – pour le Mercredi (Paris 1714) Première Leçon a une voix Seconde Leçon a une voix Première Suite des Pieces de Violes (Paris 1728) Prelude – Allemande – Courante – Sarabande – Gavotte – Gigue – Passacaille ou Chaconne Troisième Leçon a deux voix Ausführende LA GAMBA Freiburg Regina Kabis und Beate Spaltner, Sopran Ekkehard Weber, Viola da Gamba Martin Müller, Cembalo Leçons de ténèbres – Lesungen der Dunkelheit Teile der Lamentationen des Propheten Jeremias bildeten in der römischen Liturgie den Text der drei ersten (von insgesamt neun) Lektionen in den 1. Matutinen des Gründonnerstags, Karfreitags und Karsamstags. In der Bibel bestehen die Lamentationen aus 5 Kapiteln zu je 22 Versen, von denen die ersten 4 Kapitel im hebräischen Text alphabetische Akrosticha sind (der Legende zufolge des Namens Gottes). Die hebräischen Buchstaben Aleph, Beth, Gimel etc., die dort zugleich der Nummerierung dienen, sind unverändert auch in die lateinische Übersetzung übernommen worden. Abweichend vom biblischen Text beginnt die Lectio I jeweil mit den Worten Incipit Lamentatio Jeremiae Prophetae. Jede Lection schließt refrainartig mit dem Vers Jerusalem, Jerusalem, convertere ad Dominum Deum tuum. Dieser Vers steht nicht bei Jeremias, sondern ist frei nach Hosea 14,2. Schon früh wurden diese Gottesdienste aus praktischen Gründen von der ersten Stunde nach Mitternacht auf den Nachmittag des vorigen Tages vorverlegt (deshalb heißen bei Couperin die ersten Lectionen des Gründonnerstags pour le Mercredi – für den Mittwoch). Der Ablauf war folgender: · Das Pater noster wurde nicht laut vorgetragen, jedoch leise zwischen den Psalmen und Lectionen aufgesagt, auch nicht das Ave Maria und das Credo · Das Gloria Patri (die Doxologie) am Ende jedes Psalms wurde ausgelassen, und man blies eine der 15 Kerzen des Leuchters vor dem Altar aus. · Die Wechselgesänge am Ende der Psalmen wurden verdoppelt · Die Antwortgesänge nach jeder Lection kommentierten das Vorausgegangene. Mit Ausnahme der Lectionen selbst wurde während des Gottesdienstes alles übrige in gehobenem Sprechgesang gregorianischer Prägung vorgetragen. Vom Mittelalter bis in die Neuzeit hat dieser bewegende Text ungezählte Komponisten angeregt. So sind einige der bedeutendsten Werke europäischer Kirchenmusik entstanden. In der Blütezeit vom Ende des 15. bis Ende des 16. Jahrhunderts stehen dafür Namen wie Arcadelt, Isaac, de la Rue, Lasso, Palestrina, in England später Tallis oder Byrd. Im 17. Jahrhundert finden wir Kompositionen von Frescobaldi, Carissimi, Viadana, Allegri, Rosenmüller, Scarlatti, Zelenka, in Frankreich später Couperin, Delalande oder Charpentier; Fiocco in Belgien. Noch im 20. Jahrhundert nahmen sich Komponisten wie Krenek oder Strawinsky dieses Textes an. Couperin schrieb seine Leçons auf Bitten der frommen Schwestern der Abtei von Longchamp, einer Gründung von Isabelle, der Schwester Ludwigs IX. (des „Heiligen“). – 1562 wurde das durch Sittenlosigkeit in Unordnung geratene Kloster sowohl in weltlicher als auch geistlicher Hinsicht unter die Jurisdiktion des Erzbischofs von Paris gesetzt. Es lebten dort 40 junge Frauen vornehmer Herkunft unter der Autorität einer Äbtissin, die alle drei Jahre gewählt wurde. Père Ménestier schreibt in seinem Vorwort des „ballets anciens et modernes“ (Paris 1682): „Um eventuelle Missbräuche zu vermeiden, haben sich einige Kirchen gegen Musik und Instrumente entschieden, und mehrere Prälaten haben den pompösen Gesang der Klagelieder des Jeremia an den drei letzten Tagen der Karwoche untersagt, damit das an diesen heiligen Tagen entstehende Durcheinander durch die Massen, die statt aus Frömmigkeit eher von der Symphonie und den prachtvollen Stimmen angezogen werden, vermieden wird“. Die Abtei von Longchamp scheint von dieser Regelung nicht betroffen gewesen zu sein, denn die Tenebrae wurden noch im ganzen 18. Jahrhundert gesungen und zogen große Menschenmengen an. Sogar Reiseführer empfahlen diesen Ort, z.B. Nemeitz in seinem Séjour de Paris von 1727: „Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag der Karwoche werden die sogenannten Ténèbres in einigen Klöstern von 14-16 Uhr nachmittags gefeiert, z.B. in Val de Grâce, l’Assomption und Longchamp ...“ In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Gottesdienst nicht mehr öffentlich gefeiert, der Ort blieb aber während der Karwoche weiterhin ein beliebter Ausflugsort. Dies bestätigt uns Bachaumont in seinen Mémoires secrets vom 30. März 1768: „Longchamp, dieser während der Karwoche äußerst beliebte Ausflugsort, öffnete gestern bei schönstem Wetter seine Pforten für den zahlreich erwarteten Menschenandrang. Prinzen und vornehme Gesellschaft fuhren mit den elegantesten und prächtigsten Kutschen vor, die jungen Damen glänzten wie gewöhnlich ...“ Vorgeschichte: Lamentationes Jeremiae Um Ihnen die Texte des heutigen Konzertes ein wenig zu bebildern, erlauben Sie mir bitte einen kurzen Ausflug in die Geschichte des Hauses Juda und einen Blick auf die Gestalt des Propheten Jeremia. Jerusalem, eine der ältesten Städte der Erde, bestand wahrscheinlich schon vor der kanaanäischen Zeit des 2. Jahrtausends vor Christus, von wo an sie in die Geschichte tritt. David eroberte die Stadt 997 v.Chr. und machte sie zur Hauptstadt seines Reiches. Salomo, sein Sohn und Nachfolger, erweiterte sie und baute eben jenen Tempel, dessen Schicksal der Prophet Jeremia beklagt. Jeremia, um 650 v.Chr. in Anatot bei Jerusalem als Sohn einer Priesterfamilie geboren, wurde 627 zum Propheten berufen. Er fand nicht nur keinerlei Anklang bei Volk und Regierung, sondern wurde gar verfolgt, als Hochverräter gefangen genommen und nach Ägypten verschleppt, wo er starb. Übrigens noch vor der Einnahme und Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar, weshalb er als Autor der Klagelieder eigentlich gar nicht in Frage kommt. Die ersten 25 Kapitel des Buches Jeremia beinhalten Unheilsverkündungen (oder sollte man vielleicht sagen: Verwünschungen) gegen Juda und erklären sich möglicherweise aus seinen persönlichen Erfahrungen mit Jerusalem, die letzten Kapitel bestehen aus Verkündigungen gegen andere Völker, auch gegen Babylon. Dazwischen stehen sozusagen autobiographische Texte, alles möglicherweise von seinem Schüler Baruch aufgezeichnet. Die Klagelieder sind nicht Teil des Buches Jeremia, sie stehen selbständig im A.T. Der babylonische König Nebukadnezar II nahm Jerusalem im Jahre 587 v.Chr. ein und zerstörte die Stadt und den Tempel Salomos. Das Volk Juda wurde deportiert und zu schwerster Zwangsarbeit verdammt („Vernichtung durch Arbeit“ nannte man dies in den Konzentrationslagern des 20. Jahrhunderts). Fortan saß es – das Volk Juda - für lange Zeit am Euphrat, den „Wasserflüssen Babylons“, und weinte im Gedenken an Zion; wir wissen es aus Psalm 137. Bis zwei Generationen später wiederum ein jüdischer Prophet die Zeichen der Zeit zu deuten wusste und den Untergang Babylons voraussagte. Diese Zeichen symbolisierten sich durch die Flammenschrift des „Menetekel Upharsim“ an der Wand des Palastes beim Gastmahl des Belsazar, laut A.T. Sohn des Nebukadnezar – tatsächlich war er der Sohn des letzten babylonischen Königs Nabonid. Die Geschichte jedoch bestätigte den Propheten Daniel gleich mehrfach: 539 v.Chr. unterlagen die babylonischen Truppen dem Perserkönig Kyros II (Belsazar wurde dabei am Tigris ermordet), 480 v.Chr. zerstörte Xerxes Teile der Stadt und 331 v.Chr. eroberte Alexander der Große sie endgültig. Am Rande sei die Frage erlaubt, wieviel prophetischer Sehergabe es tatsächlich bedurfte, um die wechselhaften Folgen imperialistischer Aggression vorherzusagen. Bis auf den heutigen Tag ist in jener Gegend zwischen Euphrat und Tigris keine Ruhe eingekehrt, und es ist eine lange Zeit vergangen seit den Tagen, da Hammurabi um 1700 v. Chr. Babylon zur Hauptstadt seines Reiches machte. Zufall übrigens, oder bewusst ironisch-ausgleichende Fügung, dass der Name Belsazars in seiner späteren Form als Balthasar einem jener drei Könige gegeben wurde, die dem neugeborenen König der Juden huldigen mussten? Nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar dauerte es bis etwa in die Mitte des 5. Jhdts, dass die Stadt wieder aufgebaut wurde durch Nehemia, auf der Grundlage der eisenzeitlichen Überreste. Burg und Tempel wurden sogar erst weitere 400 Jahre später durch Herodes d. Gr. neu gestaltet und erweitert. Allerdings war diesem 2. Tempel keine lange Lebensdauer beschieden: weniger als ein Jahrhundert danach wurde die Stadt bei der Eroberung durch Titus im Jahr 70 n.Chr. völlig zerstört. Einzig die Klagemauer ist als Rest dieses herodianischen Tempels übriggeblieben, ihre religiöse Botschaft und politische Symbolkraft besitzt auch in unseren Tagen noch eine unübersehbare Ausstrahlung. Für die Christen war es später der gekreuzigte Heiland, um den man trauerte und auf dessen Tod man die Klage um das zerstörte Jerusalem folgerichtig übertrug. In diesem Sinne entstanden die Vertonungen der Klagelieder, auch diejenige von François Couperin. Im 20. Jahrhundert war es neben Ernst Krenek und Igor Strawinski vor allem der Dresdner Kreuzkantor Rudolf Mauersberger, der im Frühjahr 1945 das erste der Klagelieder des Jeremia vertonte, diesmal aus Trauer über das zerstörte Dresden. So war es abermals eine Stadt, die, wie Jerusalem, zum Symbol der Zerstörung und der Klage wurde. Und da es auch in unserer Zeit noch immer machthungrige Potentaten gibt, die sich getrieben fühlen, fremde Städte in Schutt und Asche zu legen, besitzt der dem Jeremia zugeschriebene Text eine unvermindert schmerzhafte Aktualität. Es sind im wahrsten Sinne „prophetische Worte“. ... link rabe489, 04:04h
Wenn ich auf meinen Dilettantismus verzichten müßte, würde ich mich aufs Geheul spezialisieren.
E. M. Cioran ... link Tristan und Isolde - Liebestod - Furtwängler
rabe489, 03:39h
... link Daily Soap
rabe489, 03:23h
Furtwängler (!) - Schubert (!) die 8. (!) ... link ... older stories
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