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Innerlichkeit - This Mortal Coil: Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein, laden uns ein...
Innerlichkeit - This Mortal Coil
Sonntag, 23. Juli 2006
Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein, laden uns ein...
D'Annunzio als armen italienischen Irren und zeitweisen Militaristen abzutun, wie es Gaston Salvatore im Nachwort zu "Gabriele d'Annunzio, Rede ... am 17.Mai 1915" (EVA) versucht, kann ein Werk, das in einer 49bändigen Gesamtausgabe erschienen ist und die ungezählten Einflüsse des "Dichters, Politikers, Soldats und Demagogen" (ebd.) auf die führenden Künstler seiner Zeit nicht erklären. Man lese seine Gedichte. Urteil folgt.Ganz anders wird in anderem Zusammenhang d'Annunzio dargestellt, nämlich als Anarchist, Zitat:

"Gabriele D'Annunzio, dekadenter Poet, Künstler, Musiker, Ästhet, Frauenheld, tollkühner Pionier der Aeronautik, Zauberer, Genie und Schurke, ging aus dem Ersten Weltkrieg als Held hervor, der über eine kleine Armee verfügte: die »Arditi«. Auf der Suche nach Abenteuer beschloß er, die Stadt Fiume einzunehmen und sie aus jugoslawischer in italienische Hand zu übergeben. Nach einer nekromantischen Zeremonie mit seiner Mätresse auf einem Friedhof in Venedig machte er sich daran, Fiume zu erobern. Dies gelang ihm ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Aber Italien lehnte sein großzügiges Angebot ab. Der Premierminister schimpfte ihn einen Verrückten.¶

Beleidigt beschloß D'Annunzio, die Unabhängigkeit auszurufen und zu sehen, wie lange er diese verteidigen könne. Mit einem seiner anarchistischen Freunde entwarf er die Verfassung, in der Musik zum zentralen Prinzip des Staates erklärt wurde. Die Marineangehörigen (Deserteure und anarchistische Schifffahrtsgewerkschafter aus Mailand) nannten sich Uscochi - nach schon lange verschwundenen Piraten, die einst auf der Küste vorgelagerten Inseln lebten und venezianische und ottomanische Schiffe überfielen. Den modernen Uscochi gelangen einige wilde Coups: reiche italienische Handelsschiffe garantierten der Republik plötzlich eine Zukunft: Geld in den Koffern! Künstler, Bohèmiens, Abenteurer, Anarchisten (D'Annunzio korrespondierte mit Malatesta), Flüchtlinge und Staatenlose, Homosexuelle, militärische Dandies (die Uniform war schwarz und mit dem Piratenzeichen geschmückt - später von der SS gestohlen) und wunderliche Reformer jeglicher Couleur (einschließlich Buddhisten, Theosophen und Vedantisten) tauchten haufenweise in Fiume auf. Die Party nahm kein Ende. D'Annunzio trug jeden Morgen vom Balkon Gedichte und Manifeste vor, jeden Abend gab es ein Konzert, danach ein Feuerwerk. Hierin bestand die ganze Aktivität der Regierung. Als achtzehn Monate später der Wein und das Geld ausgegangen waren und schließlich die italienische Flotte auftauchte und ein paar Granaten auf das Stadtpalais abfeuerte, hatte keiner mehr die Energie, Widerstand zu leisten.¶

D'Annunzio zeigte später -, wie viele italienische Anarchisten - Sympathien für den Faschismus - faktisch brachte Mussolini (der Ex-Syndikalist) selbst den Poeten auf diesen Weg. Als D'Annunzio seinen Irrtum erkannte, war es zu spät: er war zu alt und krank. Aber Il Duce ließ ihn ohnehin töten - vom Balkon stürzen - und machte ihn so zum »Märtyrer«. Was Fiume betrifft, so können wir auf unserer Suche aus diesem Beispiel mehr über einige Aspekte lernen, obwohl die Ernsthaftigkeit der freien Ukraine und des freien Barcelona fehlte. In gewisser Weise war Fiume das letzte Piraten-Utopia (oder das einzige moderne Beispiel), aber vielleicht auch so etwas wie die erste moderne TAZ.¶

Ich glaube, wenn wir Fiume mit dem Paris der Revolte von 1968 (und den städtischen Insurrektionen der frühen siebziger Jahre in Italien) wie auch mit den amerikanischen gegenkulturellen Kommunen und den Einflüssen der Anarchos/Neuen Linken vergleichen, sollten wir gewisse Ähnlichkeiten feststellen, zum Beispiel: die Wichtigkeit ästhetischer Theorie (s. die Situationisten) - das, was »Piratenökonomie« genannt werden könnte, gut leben vom Surplus gesellschaftlicher Überproduktion - auch die Beliebtheit farbenprächtiger Militäruniformen - und das Konzept von Musik als Mittel revolutionärer gesellschaftlicher Veränderung - und schließlich die Gemeinsamkeit der Nichtdauer, der Bereitschaft, weiterzuziehen, der Gestaltveränderung, des Umsiedelns an andere Universitäten, auf andere Berggipfel, in andere Ghettos, Fabriken, sichere Unterschlüpfe, verlassene Farmen - oder gar das Einsteigen auf andere Bewußtseinsebenen. Niemand versuchte, eine weitere revolutionäre Diktatur zu errichten, weder in Fiume, Paris, noch in Millbrook. Entweder die Welt würde sich ändern oder eben nicht. Bleib unterdessen in Bewegung und lebe intensiv."
http://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/Anarchistische_Bewegungen/taz/node44.html
Fiume
Casa Gabriele d'Annunzio
D'Annunzio
siehe auch:
Der ungeliebte d'Annunzio. D'Annunzio in der zeitgenössischen und der gegenwärtigen deutschsprachigen Literatur (Broschiert)
von Anne Kupka , 198 S. (?)


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