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Innerlichkeit - This Mortal Coil: Ausstellung Thomas Grötz, Forum Bergmannsglück, Gelsenkirchen
Innerlichkeit - This Mortal Coil
Freitag, 27. Oktober 2006
Ausstellung Thomas Grötz, Forum Bergmannsglück, Gelsenkirchen
Einführung zur Ausstellung "Bestelle Dein Haus" (Thomas Grötz), Okt.-Nov. 2006
Von Jürgen Kramer


„Bestelle Dein Haus“ so nennt Thomas Grötz seine Ausstellung von Gemälden aus hauptsächlich den letzten beiden Jahren.
„Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben“, so spricht der Herr durch Jesaja zu König Hiskia.

Wie bestellt man sein Haus? Und was ist das Haus des Menschen?


Bevor ich diese Fragen beantworte, einen kurzen Hinweis auf das Menschenbild, das hier vorausgesetzt wird. Zitat: „Der Mensch ist nicht Erzeugnis der Sinnenwelt, und der Endzweck seines Dasein kann in derselben nicht erreicht werden. Seine Bestimmung geht über Zeit, und Raum, und alles Sinnliche hinaus“, so schreibt Johann Gottlieb Fichte in seiner Schrift „Die Bestimmung des Menschen“ von 1800, die von den Romantikern gelesen wurde
Im Übersinnlichen finden wir das Wesen des Menschen und zwar in seinem Selbstbewußtsein, seinem Ich. „Ursprünglich ist nichts als das Ich, und zwar als oberste Bedingung gegeben“ (Schelling).
Aber dieses Ich, dessen sich der Mensch bewußt ist, also dieses sein Wesen, deckt sich nicht mit dem Alltags-Ich und einem gewissen Egoismus. Dieses Ich in den Tiefen des menschlichen Seins verborgen, ist eher die Seele.

Also zurück zu der Frage: “Was ist das Haus des Menschen, das bestellt werden soll“. Es ist seine übersinnliche Seele.
Das Haus des Menschen ist seine Seele, die „innere Burg“, wie Teresa von Avila sagt.

Wenn der Mensch, vielmehr sein Wesen, sein Selbst und das Ich (jenseits aller Psychologie) im Innern, in der Seele aufgehen und wohnen, dann bedeutet das Wort Jesajas nichts weniger, als das dieses Innewohnen in Ordnung gebracht werden muß, „denn du wirst sterben“.

Das Seelenleben in Ordnung bringen, welche wesentlichere Aufgabe könnte der Kunst noch zufallen. Kunst als spirituelle Therapie. Da gibt es allerdings die feinen Unterschiede. Ich glaube nicht, das Andy Warhols Suppendose als spirituelle Therapie gedacht ist. Es ist eine andere Kunst, die dieser hohen Aufgabe erst gerecht werden kann und die wir bevorzugt in unserem Forum präsentieren.
Thomas Grötz’ Gemälde, könnte man unter einem Titel zusammenfassen, nämlich z.B. „Innere und äußere Räume und der Übergang zwischen ihnen“, die Schwelle also, die Schwellensituation.

Nur in zwei Lexika habe ich etwas zur Schwelle gefunden.
Im „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“, ein faszinierendes zehnbändiges Werk voller Imaginationen, ist der Artikel zur Schwelle ca. 30 Spalten lang. Ich möchte hier nur den Anfang zitieren:

„Die Schwelle ist mit der Tür und der Oberschwelle als Eingang des Hauses eine wichtige Grenze, die die fremde feindliche Außenwelt, von der geschützten häuslichen trennt. An der Schwelle sammeln sich allerhand Geister, die das Haus bedrängen und die durch die verschiedensten Maßnahmen und Zauber zurückgehalten werden müssen.“ Soweit das Handwörterbuch, in dem auch vermerkt ist, das es in früheren Zeit üblich war, unter der Schwelle zu bestatten.

Im spirituellen Sinn ist die Schwelle der Übergang zwischen einem Diesseits und einem Jenseits. In einem anderen Lexikon, dem ABC der Anthroposophie, wird ebenfalls die Schwelle aufgeführt.
Es heißt dort:
„Schwelle der geistigen Welt ist bei Steiner eine immer wiederkehrende Bezeichnung für die Übergangsstelle vom Diesseits zum Jenseits, die der Geistesschüler auf dem Weg in die höheren Welten zu passieren hat“ Und weiter: “Sie ist diese Stelle als Grenze welche Sinneswelt von Geisteswelt trennt. Sie wird bewacht vom Hüter der Schwelle (dessen kompliziertes Wesen ich hier nicht beschreiben kann), der Unvorbereitete vor den übermächtigen Eindrücken der geistigen Welt schützt.“ Usw.

Der Maler, Thomas Grötz, den ich nun vor ca. 15 Jahren zum ersten Mal begegnete, ist so ein Geistesschüler – und sicher auch –Meister – von dem Rudolf Steiner spricht. Insofern Thomas Grötz sich zu dem Weg eines Adepten bekennt – und in seiner Malerei sind viele Indizien, die dafür sprechen – ist er ein Lernender, ein Suchender, ein Wachsender. Er befindet sich auf einen spirituellen Weg, er ist ein Pilger des Geistes.

Sein Buch über Morandi nennt Phillipe Jaccottet „Der Pilger und seine Schale“ und hat dabei den Künstler Morandi im Blick. Es gibt also die Idee des Künstlerpilgers. Ich vermute, dass dieser Gedanke schon bei Stefan George und seinem Kreis aufgetaucht ist.

Der Künstlerpilger ist in seiner Arbeit am Kunstwerk unterwegs. Er ist auch unterwegs zu sich selbst. Er überschreitet ständig neue Schwellen und entdeckt neue Räume, die wie die „innere Burg“, die Seelenburg der Teresa von Avila sich um den zentralen geheimnisvollen Seelenraum gruppieren.

Die erste mystische Vision dieser „Seelenburg“ beschreibt die heilige Teresa mit folgenden Worten: „Gott zeigte ihr eine wunderbare Kristallkugel nach Art einer Burg mit sieben Wohnungen. In der siebten, die im Mittelpunkt sich befand, war der König der Herrlichkeit im vollsten Glanz, der die Wohnung bis zum Umkreis erleuchtete und verschönte. Je mehr sie am Licht teilhatte, um so näher war sie dem Mittelpunkt.“ Usw.

Wenn Sie nun die Gemälde des Thomas Grötz betrachten, liebe Freunde des Forums, dann ist die Auseinandersetzung mit dem einzelnen Werk erst wirklich fruchtbar, wenn Sie dessen Symbolismus zu Haus, Kosmos und Türen mit dazusehen und dazudenken.

Ein mittelalterlicher Dichter um 1250 wußte schon zu sagen:
„Wir sind Pilger alle und ziehn ferne hin.
In der Sünden Falle steckt tief mein Sinn,
das ich ihn draus nicht zu brechen vermag.“


Ich wünsche viel Vergnügen bei der spirituellen Reise durch Thomas Grötz’ Bildwelten.
Danke schön


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