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Innerlichkeit - This Mortal Coil: Gespräch mit einer Schublade (Wiederholung):
Innerlichkeit - This Mortal Coil
Sonntag, 11. Februar 2007
Gespräch mit einer Schublade (Wiederholung):
Schublade (S): Einige Rezipienten vermuten, dass Sie ein Romantiker sind, sind Sie einer, Herr rabe489?

rabe489 (R): Leib und Seele sind mir in einem wissenschaftskritischen Sinn für die Kunst sehr wichtig. Wissenschaftskritik ist im besonderen Masse Methodenkritik, diese aber muß bei den Maximen der abendländischen Aufklärung, Positivismus und Rationalismus ansetzen.

S: Die Frühromantik Ende des 18. Jahrhunderts wandte
sich als erste Geisteshaltung gegen die mit der Französischen Revolution 1789 gesellschaftlich verankerte verstandesmäßig orientierte Aufklärung. Was ist so dramatisch an dieser modernen Aufklärung, die das Licht der Vernunft in seinen Stand einsetzen wollte.

R: Dass dieses mit der Guillotine und den napoleonischen Eroberungsfeldzügen geschah, lasse ich ausser acht. Der Einfachheit halber möchte ich mit dem von Helmut Schanze herausgegebenen ROMANTIK-HANDBUCH (Stuttgart Kröner 2003) arbeiten. Nach ihm zitiere ich den Frühromantiker A. W. Schlegel der seine "neuzeitliche Kultur", gegen die er sich wendet, um 1800 ausdrücklich "Aufklärung" nennt:
Alles übrige, dessen sich unser Zeitalter in Ansichten und Gesinnungen berühmt, läßt sich unter den von ihm selbst constituirten Begriff der Aufklärung zusammenfassen, worauf sich letztlich Toleranz, Denkfreyheit, Publicität, Humanität, und was dergleichen mehr ist, reducirt. [...] Bey einer näheren Betrachtung sieht man sogleich, daß zur Aufklärung nicht bloß eine gewisse Denkart über diesen und jenen Gegenstand hinreicht, sondern, daß sie Maximen hat, und Gesichtspunkte aufstellt, welche sich über alles erstrecken, und die sämtlichen Angelegenheiten des Lebens, wie die Verhältnisse der menschlichen Natur unter sich befassen sollen. [...] Sie giebt sich also auch mit den geselligen Verhältnissen ab, man hört von aufgeklärten Regierungen sprechen, und die gepriesene aufgeklärte Erziehung ist keine andres, als die eben geschilderte [...]. Ferner unterwirft sie auch die Wissenschaften ihrer Botmäßigkeit: es giebt nicht nur eine aufgeklärte Theologie [...] sondern eine aufgeklärte Ansicht der Geschichte, ferner eine aufgeklärte Physik, welche den Unternehmungen der Alchymie, der Astrologie, überhaupt allen magischen Vorspiegelungen sich widersetzt; ja, so Gott will, auch eine aufgeklärte Mathematik, welche die Leute abhalten soll, sich nicht auf die Quadratur des Zirkels und die Erfindung eines Perpetuum mobile zu legen. Wie sie mittelbar wieder auf Poesie und Kunst, und Kritik derselben einfließt, werde ich in der Folge schildern (Minor II, S. 65f.)" (ebd. S.79 /80).
S: Dass die Aufklärung eine alle Lebensbereiche und Diskurse erfassendes universales Deutungskonzept darstellt, war mir eigentlcih schon klar. Wenn sich die Frühromantik gegen diesen Diskurs wendet (man bemerke: Präsenz!), muß sie dann nicht als Gruppe ein ebenso umfassenden Anspruch gegenüberstellen?

R: Ja, Schublade, die "Gegenaufklärung" (Romantik), verwenden wir ruhig einmal diesen polemischen Begriff, muß ebenso universal auftreten. Dabei sei schon jetzt deutlich markiert, es ist nicht die Vernunft, die beide Lager auseinander dividiert. A. W. Schlegel stellt in einem weiteren Textauszug der Aufklärung eine Vernunft gegenüber, "die ihren Grund in einem Bereich außerhalb des empirisch Wahrnehmbaren anerkennt und damit auch die eigenständige Geltung von Phantasie und Poesie hervorhebt" (L-Stockinger, ebd.).
Dazu darf ich den entsprechenden Text von A.W. Schlegel, liebe Schublade, noch abschließend zitieren:
"Ihr wollet erleuchten? Gut, das Licht ist eine Gabe des Himmels: wo sind die Proben eurer himmlischen Sendung? Das Licht ist vermöge seiner Natur zuvörderst selbst hell, und dann erleuchtet es die übrigen Dinge. Eben so verhält es sich mit dem, was im menschlichen Gemüthe einzig den Namen der Ideen verdienen kann: die Ideen, welche in der inneren Anschauung unmittelbare Überzeugung ihrer Nothwendigkeit und ewigen Gültigkeit mit sich führen, und demnächst auch die äußerlichen Erscheinungen in ihr wahres Verhältnis unter einander und gegen jene setzen. [...] Auch unser Gemüth theilt sich wie die äußere Welt zwischen Licht und Dunkel [...]. Der Sonnenschein ist die Vernunft als Sittlichkeit auf das thätige Leben angewandt, wo wir an die Bedingungen der Wirklichkeit gebunden sind. Die Nacht aber umhüllt diese [die Wirklichkeit] mit einem wohlthätigen Schleyer, und eröffnet uns dagegen durch die Gestirne die Aussicht in die Räume der Möglichkeit; sie ist die Zeit der Träume. Einige Dichter haben den gestirnten Himmel so vorgestellt, als oib die Sonne nach Endigung ihrer Laufbahn in alle jene unzähligen leuchtenden Funken zerstöbe: dieß ist ein vortreffliches Bild für das Verhältniß der Vernunft und Fantasie: in den verlorensten Ahndungen dieser ist noch Vernunft [...]. Was schon in den alten Kosmogonieen gelehrt ward, daß die Nacht die Mutter aller Dinge sey, dieß erneuert sich in dem Leben eines jeden Menschen: aus dem ursprünglichen Chaos gestaltet sich ihm durch Liebe und Haß, durch Sympathie und Antipathie die Welt. Eben auf dem Dunkel, worein sich die Wurzel unsers Daseyns verliert, auf dem unauflöslichen Geheimniß beruht der Zauber des Lebens, dieß ist die Seele aller Poesie.(Minor II, S. 68 - 70)" (a.a.O. S.80). -
Liebe Schublade, laß es genug sein für heute. Schieb Dich zu und Gute Nacht. August Wilhelm Schlegel um 1800


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