Under Dekonstruktion
siehe vorläufig Leib und Seele
Januar 2007 |
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Innerlichkeit - This Mortal Coil |
Mittwoch, 3. Januar 2007
Arme wunderschöne Seele:
rabe489, 21:23h
„Es waren in einer Stadt ein König und eine Königin, die hatten
drei Töchter von bedeutender Schönheit. Aber die älteren, ob- gleich gar lieblich anzusehen, glaubte man dennoch mit Men- schenlob angemessen feiern zu können; dagegen des jüngeren Mädchens über die Maßen herrlich-hehre Holdseligkeit auszu- drücken und auch nur annähernd zu preisen, war die mensch- liche Rede zu arm. Viele Bürger also und zahlreiche Fremde, welche das Gerücht von der ausnehmenden Sehenswürdigkeit in neugierigen Scharen herbeitrieb, bewunderten staunend die unerreichte Wohlgestalt und huldigten ihr, die Hand zum Mun- de geführt und dabei den Zeigefinger auf den ausgestreckten Daumen gesenkt, mit frommer Anbetung, als ob sie geradezu die Göttin Venus persönlich wäre. Und schon hatte sich in den nächsten Städten und angrenzenden Gebieten die Kunde ver- breitet, die Göttin, welche der blaue Meeresgrund geboren und schäumender Flutentau gespeist hat, wandle jetzt mitten unter dem Volksgewimmel und erteile allenthalben ihren göttlichen Liebessegen; oder auch wohl, es hätten aus einem neuen Keim himmlischer Tropfen nicht Meere, sondern Länder eine zweite Venus von blühender Jugend sprießen lassen. So wächst der Glaube unaufhörlich von Stunde zu Stunde, so läuft und läuft schon die Kunde durch die Inseln in der Runde und lauter Länder und aller Munde. Schon beginnen Menschen um Men- schen über lange Straßen und tiefe Meerpfade zu dem herr- lichen Wunder des Jahrhunderts zusammenzuströmen. Keiner nach Paphos, keiner nach Knidos, selbst nach Kythera segelte keiner; die Göttin Venus zu schauen. Man vertagt die Opfer, läßt Tempel verfallen, Polster verschleißen, den Dienst ver- kümmern. Ohne Kränze die Bilder und die Altäre verwaist, mit kalter Asche geschändet. Vor einem Mädchen beugt man die Knie, huldigt im Menschenantlitz der hohen Himmelsmacht. Und beim morgendlichen Ausgang der Jungfrau fleht man mit Opfer und Mahl ohne Liebesgöttin um Liebessegen, und wenn meinsten Menschen verlieren, der an Ehre und auch Besitz und selbst Gesundheit vom Schicksal geschlagen ist und so tief steht, daß er auf der ganzen Erde an Jammer nicht seinesgleichen findet!" Nachdem sie sich so ausgesprochen und ihrem Sohn mit lechzen- den Lippen lange, innige Küsse gegeben hat, eilt sie zum brandenden Strand des nächsten Gestades und betritt mit rosi- gen Sohlen wogender Fluten schaumige Krone. Da, nun läßt sie sich nieder auf heiterer Wölbung der Meerestiefe, und wie sie es eben wünschen will, nein, sofort, als hätte sie es längst befohlen: das Gefolge des Meeres läßt nicht auf sich warten. Zur Stelle sind die Nereustöchter mit Chorgesang, Portunus in struppig schwarzen Zotten, von Fischlast gebauscht Salacia und als Delphinlenker das Bürschlein Palämon. Schon hüpfen aller- orten Tritonenscharen durch die Fluten: einer tutet sanft auf tönender Muschel, der zweite hält einen seidenen Schirm gegen die stechend heiße Sonne, der dritte hebt der Herrin einen Spiegel vor Augen, zu zweit schwimmen andere zu ihren Füßen im Wagengeschirr. Solche Heersdiaren geleiten Venus auf ihrer Reise zum Ozean. Inzwischen spürt Psyche in ihrer ganzen ätherischen Schönheit keinen Gewinn von ihrer Anmut. Betrachtet wird sie von allen, gelobt von allen; aber keiner, nicht König noch Königssohn, nicht einmal einer aus dem Volk begehrt sie und kommt, um ihre Hand anzuhalten. Man bewundert ihre göttliche Erscheinung, aber jeder bewundert sie wie ein kunstreich vollendetes Stand- bild. Längst schon hatten die beiden älteren Schwestern, von deren begrenzter Schönheit nichts über die Erde hin verlautet war, es zur Verlobung mit königlichen Freiern und zu glück- licher Hochzeit gebracht; doch Psyche sitzt als Mädchen ohne Mann zuhause, weint sich blind über ihre Verlassenheit und Einsamkeit, siech am Leibe und wunden Herzens, und haßt ihre eigene Schönheit, mag sie auch aller Welt gefallen. So befragt der arme Vater der unglücklichen Tochter, weil er Göttergrimm vermutet und Himmelszorn befürchtet, das uralte Orakel des Gottes von Milet und bittet den hohen Helfer mit Gebet und Opfer für das verschmähte Mädchen um Hochzeit und Gatten. Da antwortete Apollo, wiewohl Grieche und lonier, dem Autor des milesischen Romans zuliebe mit einem Spruch auf lateinisch: „Hoch auf Gebirges Felsen, König, stelle das Mädchen, angetan mit dem Schmuck, wie er der Todesbraut ziemt! Nicht erwarte du dir einen Schwiegersohn sterblichen Stammes, sondern ein grausam-wild frevelndes Viperngezücht! Durch die Lüfte flatterts daher und stört jeden Frieden, bringt mit Flamme und Stahl alle Geschöpfe zu Fall. Jupiter selbst erzittert vor ihm, die Götter erbeben, und es schaudert der Pfuhl, schaudert die stygische Nacht." Als der Vater, einst ein glücklicher König, das heilige Seher- wort empfangen, reist er voll Mißmut und Traurigkeit nach Hause zurück und enthüllt seiner Gemahlin die Weisungen des Unglücksspruches. Kummer, Weinen, Klagen tagelang l Aber schon drängt des grausamen Orakels entsetzliche Verwirk- lichung. Schon wird dem ärmsten Mädchen mit Gepränge die Todeshochzeit zugerüstet; schon trübt sich der Fackel Licht in rußig-schwarzer Asche, wandelt sich der Hochzeitsflöte Ton in klagende Lyderweise, endet des Festlieds fröhlicher Sang mit dumpfem Wehgeschrei und trocknet gar das Mädchen zum Ehe- beginn ihre Tränen mit dem Brautschleier. An dem traurigen Los des so geschlagenen Hauses nahm auch die gesamte Bürger- schaft mit Seufzen teil, und sofort wird zum Ausdruck der all- gemeinen Betrübnis Landestrauer verkündet. Aber gegen den Spruch des Himmels war Gehorsam notwendig und die arme Psyche mußte sich der festgesetzten Buße stellen. Als also die Feierlichkeiten der Todeshochzeit unter tiefster Trauer vollzogen waren, wird im Geleit des ganzen Volkes die lebendige Tote hinausgeführt, und in Tränen schwimmend wan- delt Psvche nicht in ihrem Hochzeits-, sondern in ihrem Leichen- zug. Und wie die Eltern bekümmert und leidverstört zögern, die Schmach und Schande der Tat zu vollenden, macht ihre Tochter selbst ihnen Mut und spricht: „Was martert ihr euch auf eure armen alten Tage mit Weineil.. Apuleius, Amor und Psyche... |
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