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Innerlichkeit - This Mortal Coil: Der türkische Islam
Innerlichkeit - This Mortal Coil
Donnerstag, 14. September 2006
Der türkische Islam
14.09.2006 16:16:43
Offizielle staatliche Kritik der Türkei an Aussagen von Papst Benedikt XVI. Das staatliche türkische "Präsidium für Religiöse Angelegenheiten" (Diyanet) hat eine Entschuldigung von Papst Benedikt XVI. gefordert. Die Äußerungen des Papstes über den Islam und den Propheten Mohammed während seines Deutschland-Besuches seien bedauerlich und müssten zurückgenommen werden, sagte der Chef der Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, in einem Gespräch mit der türkischen Nachrichtenagentur "Anadolu". Durch die Zitierung von Ausführung des oströmischen Kaisers Manuel II. Paleologos habe der Papst eine "Kreuzfahrer-Mentalität" an den Tag gelegt, kritisierte Bardakoglu.
Der Streit um die Äußerungen Benedikts XVI. belastet damit schon jetzt die Atmosphäre vor dem für Ende November geplanten Papst-Besuch in der Türkei. Bardakoglu nahm vor allem auch daran Anstoß, dass Benedikt XVI. im Zusammenhang mit dem Dialog zwischen dem Paleologen-Kaiser und einem persischen islamischen Theologen über den "Dschihad" die Bemerkung Manuels II. zitiert hatte, dass es dem Wesen Gottes zuwider sei, nicht vernunftgemäß zu handeln. Der Papst habe damit der islamischen Gottesvorstellung die Vernunftgemässheit abgesprochen und das sei eine "feindselige Haltung". Die Christen sollten erst einmal selbst erklären, wie ihre Religion mit der Vernunft in Einklang gebracht werden könne, sagte der "Diyanet"-Vorsitzende wörtlich. Bardakoglu nahm insbesondere auf die christliche Konzeption des dreifaltigen Gottes Bezug und erklärte: "Sie sagen, Jesus sei der Sohn Gottes. Wie verträgt sich denn das mit Vernunft?" Der "Diyanet"-Vorsitzende hat sich damit offiziell die seit 1.400 Jahren gebräuchliche islamische Polemik gegen das Christentum zu eigen gemacht. In der klassischen islamischen Theologie lautet der Hauptvorwurf gegen die Christen, sie betrieben "shirq" (Beigesellung), weil sie von Jesus als Sohn Gottes sprechen, der "Gott von Gott, gezeugt, nicht geschaffen" sei. Im Gegensatz dazu stelle der Koran in Sure 112 ("Al Ihlas") fest: "Er zeugt nicht und wird nicht gezeugt".
Die Türkei fordert vom Papst eine Entschuldigung
Empörung über Äußerungen Benedikts XVI. zu Mohammed / „Kreuzfahrermentalität“

F.A.Z. FRANKFURT, 14. September.
Äußerungen des Papstes zum Islam während seines am Donnerstag zu Ende gegangenen Deutschland-Besuches haben in der muslimischen Welt Kritik und Empörung hervorgerufen. Das staatliche türkische Religionsamt forderte am Donnerstag eine Entschuldigung von Benedikt XVI. Auch muslimische Verbände in anderen Ländern zeigten sich irritiert ...
Aus dem morgigen FAZ-Kommentar von Daniel Deckers:
Wie sein Vorgänger wandte sich Benedikt XVI. nicht allein an die Katholiken. Seine Reden kreisten um die Grundfragen des Lebens, um Glaube und Vernunft. Die Texte des Alten und des Neuen Testaments, über die er predigte, weil sie von der Liturgie der Kirche für die einzelnen Tage vorgegeben waren, deutete er als Spiegel menschlicher Hoffnung, daß die eigene Geschichte wie die der Welt einen Sinn und ein Ziel hat. Die Philosophen von Platon bis Kant, auf die er sich in seiner Vorlesung bezog, nahm er als Zeugen, daß sich alle Menschen als „vernünftige“ Wesen über die Grenzen von Kulturen und Religionen hinaus verständigen können. Daß es dafür den Maßstab von Gut und Böse gibt und daß die Würde des Menschen darin besteht, nach dieser „Vernunftnatur“ zu leben, ist keine katholische Sonderlehre oder gar die Privatmoral einer bayerisch- barocken Papstgestalt. Benedikt XVI. verteidigte nicht weniger als das Erbe der europäischen Aufklärung, das durch eine manichäische Scheidung der Welt in Gläubige und Ungläubige, in „für uns“ und „gegen uns“ bedroht ist. Nicht die malerische Kulisse der bayerischen Alpen bildet den Hintergrund, vor dem seine Ansprachen zu lesen sind, sondern die Reden und Briefe der Mächtigen der Welt, von Ahmadineschad bis Bush.

Freilich sieht Benedikt den universalen Anspruch christlich-aufgeklärten Denkens nicht nur von außen gefährdet, sondern auch von innen. Kants Aussage, er habe das Denken beiseite schaffen müssen, um dem Glauben Platz zu machen, kennzeichnet in Benedikts Augen ein Dilemma. Eine „reine“ Vernunft, die um ihrer Selbstbestimmung und Freiheit willen Gott aus ihrem Blickfeld ausgrenzt, beschränkt ihre Reichweite tendenziell auf das, was man objektiv wissen kann. Sie läuft Gefahr, zu einer „instrumentellen“ Vernunft zu werden. Die aber reicht nicht aus, um gut leben zu können.

Für die Selbstbeschränkung der Vernunft fand der Papst in den vergangenen Tagen viele einprägsame Ausdrücke. Er sprach von „Schwerhörigkeit gegenüber Gott“ und der „Verkürzung des Radius der Vernunft“ und verdeutlichte so in mal einfacher, mal hoher Sprache, was er in den zurückliegenden Jahren immer mit dem Wort von der „Diktatur des Relativismus“ bezeichnet hatte. Die Grundlagen der Zivilisation stehen auf dem Spiel, wenn das Streben nach wissenschaftlich-technischem Fortschritt und nach individueller Freiheit auch die Sphäre jener Güter und Werte erfaßt, die der Verfügung des Menschen über sich selbst entzogen sein muß, sei es am Beginn des menschlichen Lebens oder an seinem Ende.

Doch diese Gefahr ist nur die eine Seite der Dialektik der Aufklärung. Als wären der Papstbesuch und der fünfte Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September nicht von ungefähr zusammengetroffen, sprach der Papst von einer „Pathologie“, die sich längst auch in den Beziehungen zwischen dem modernistischen Westen und der übrigen Welt zeige. Die zunehmende Ablehnung der sogenannten westlichen Werte in Asien und Afrika führte er nicht auf ein Verharren in der Vormoderne zurück. In der antiwestlichen Stimmung, die sich rund um den Globus breitmacht, sieht Benedikt vielmehr einen Reflex jenes Verständnisses von Vernunft und Freiheit, das Religion und Glauben als irrational und vorwissenschaftlich ansieht und so dem „Zynismus“ Tür und Tor öffnet.

Mit diesem Gedanken hat der Papst seiner Diagnose der Krise des Westens eine neue Richtung gegeben und sie nochmals verschärft. Was als Kluft zwischen westlichen Werten und politischer Wirklichkeit erscheint, ist nicht Ergebnis einer westlichen Doppelmoral, die mittlerweile auf ihre Urheber zurückfiele. Das wäre zu einfach. Vielmehr sieht der Papst hier wie dort, im vermeintlich christlichen Westen wie in der Welt des Islam, Bewegungen am Werk, die nichts wissen wollen von den vernünftigen Maßstäben des guten und wahren Lebens, zu denen auch gehöre, das Heilige zu achten.


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