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Innerlichkeit - This Mortal Coil |
Donnerstag, 23. November 2006
Die Rede vom Ende der Kunst
rabe489, 04:47h
Ein kleines Büchlein ist zu dieser Fragestellung wärmstens zu empfehlen: Hans Thomas (Hrsg): Die Lage der Kunst am Ende des 20. Jahrhunderts, Lindenthal-Institut, Köln ( Verlag J. H. Röll) 1999, 100 S.,(10,50 €). Die Beiträge dieser Colloquium-Dokumentation von Boris Groys, Eduard Beaucamp und vor allem Fernando Inciarte sind äußerst erhellend, was die Fragestellung nach dem Ende der Kunst und dem Ende der Moderne betrifft. Als Beispiel möchte ich aus der abschliessenden Aussprache zitieren:
Inciarte: Hegel verkündet das Ende der Kunst. Es mögen, sagt er, noch so viele Künstler eine Mutter Gottes, einen Christus malen, es hilft nichts, das Knie beugt sich nicht mehr. Vielleicht herrscht deshalb ein nihilistischer Ton in der Kunstkritik und auch in vielen Aspekten der seriösen Kunst, weil tatsächlich die Kunst aufgehört hat, Kult zu sein. Hegel hat dieses Ende der Kunst so begründet: Der menschliche Geist sei schon soweit, daß er auf das Sichtbare verzichten könne. Hegel war Protestant und legte nicht so viel Wert auf die Visualität. Die von der Kunst leergewordene Stelle sei jetzt besetzt worden durch die Philosophie. Kann es nicht sein, daß der Kunstkritiker heute — ich spreche hypothetisch — arbeitslos geworden ist, weil der Künstler selbst Kritiker geworden ist? Mehr noch: Weil er vielleicht Philosoph geworden ist? Er reflektiert, kann jetzt selbst seine Kommentare schreiben und damit den Kritiker überflüssig machen. Inzwischen heißt es, die Philosophie, jedenfalls die Meta- physik, sei auch an ihrem Ende angelangt. Aber diese Prozes- se des zu Ende-Gehens sind dialektisch. Das Ende ist stets ein neuer Anfang. Beaucamp: Alles Reden vom Ende der Kunst halte ich für ein großes Mißverständnis. Es ist auch immer die Rede vom Ende der Moderne. Die Medien, die Philosophen, sprechen vom Ende der Kunst, aber nicht die Praktiker. Daß eine bestimmte Ästhetik, ein bestimmtes Denksystem eines Jahr- hunderts nun endlich auch einmal zu Ende geht, ihnen der Boden entzogen ist, daran ist nichts Außergewöhnliches. Daran, daß vielleicht die Kunst hinterherhängt, auch nicht. Es könnten also ganz andere Umbrüche am Werk sein, die überhaupt noch nicht verarbeitet sind. Das sollte nicht außer acht gelassen werden. So war es doch auch im späten 19. Jahrhundert. Da hat man gesagt, der Historismus, Realismus, Naturalismus, alle diese Dinge der Romantik sind passe, machen wir also etwas Neues. Es gibt kein Ende des Den- kens, es gibt kein Ende des Musizierens. Es gibt auch kein Ende der Kunst. Wie der Arzt den Patienten nicht sich selbst überläßt und sich selbst therapieren läßt, wird es auch hier immer Diagnostiker geben. Und auch Therapeuten. Insofern ist gerade jetzt eine aufregende Zeit. Jedoch sind die Diagno- sen dessen, was sich da entwickelt, subjektiv. Daß sich gewis- se Pessimismen hineinmischen, ist unausbleiblich. |
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